medstra-News 70/2019
Obwohl Cannabis zunehmend zur Behandlung von psychischen Krankheiten eingesetzt wird, ist die Studienlage zur Wirksamkeit dünn. Dies ist das Ergebnis einer Meta-Studie, die in Lancet Psychiatry (doi: 10.1016/S2215-0366(19)30401-8) erschienen ist und über die u.a. das aerzteblatt berichtete. In der Studie vom National Drug and Alcohol Research Centre in Sydney wurden dazu alle Studien für den Zeitraum 1980-2018 ausgewertet, die sich mit der medizinischen Wirkung von Cannabis auf die Behandlung von psychischen Erkrankungen, insbesondere von Depressionen und Angstzuständen, befassten. Insgesamt fand das Forscherteam dabei nur 83 Studien, von denen wiederum nur 40 randomisierte kontrollierte Studien waren, wie es dem heutigen Standard medizinischer Studien entspricht. Viele der Studien befassten sich zudem hauptsächlich mit anderen Krankheiten wie Multipler Sklerose und nur am Rande mit den psychischen Auswirkungen der Behandlung mit Cannabis. Das könne bedeuten, dass der Rückgang der Depression schlicht eine Folge des gelinderten Schmerzes der Primärerkrankung sei und damit nur mittelbar auf die Gabe von Cannabinoide zurückzuführen sei.
Im Rahmen der Meta-Analyse haben die Forscher zudem herausgefunden, dass medizinisches Cannabis zu einem Anstieg an Nebenwirkungen führe und teilweise auch zu einer Verschlechterung von Psychosen beigetragen habe.
Insgesamt war der Evidenzgrad für einen medizinischen Nutzen von Cannabis in Bezug auf psychische Krankheiten gering. Ein geringer Evidenzgrad bedeutet allerdings nicht, dass ein Mittel unwirksam ist, sondern lediglich, dass die Wirkung und Sicherheit noch nicht hinreichend untersucht wurde. Üblicherweise ist die Wirksamkeit von Medikamenten klinisch belegt, bevor sie auf den Markt kommen. Bei Cannabis sei dies aus mehreren Gründen anders: Selbsthilfegruppen übten großen Druck auf die Politik aus, bestehende therapeutische Lücken auch ohne zeitraubende Studien möglichst schnell mit Cannabis zu schließen. Zudem gebe es von Seiten der Pharmaindustrie kein großes Interesse an dem Mittel. Da umfangreiche klinische Studien aber auch in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen werden, sollen Datenbanken diese Lücke vorerst schließen. So möchte die britische Stiftung „DrugScience“ mit ihrem Projekt TWENTY21 eine Datenbank aufbauen, indem sie 20.000 Patienten den Zugang zu medizinischem Cannabis ermöglicht und die Patienten anschließend ihre Erfahrungen damit in die Datenbank einspeisen.