medstra-News 62/2021 vom 14.9.2021
Die Teilnehmer des Fachkongresses „150 Jahre § 218 StGB“, darunter Betroffene, Fachleute, Politiker und Aktivisten, haben sich in einer gemeinsam gefassten Resolution für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ausgesprochen und fordern eine bundesweite öffentliche Auseinandersetzung mit den Folgen der bisherigen Kriminalisierung für die Gesundheitsversorgung Schwangerer.
Die Anwesenden diskutierten u.a. aus medizinischer, sozialwissenschaftlicher und juristischer Sicht, welche Folgen die Regelung für betroffene Frauen, aber auch für Ärzte hat, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Dabei kritisierten sie, dass die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in der Vergangenheit wie heute die Gesundheit von ungewollt Schwangeren in Deutschland gefährde, indem sie einer angemessenen Gesundheitsversorgung im Wege stehe und die Gleichberechtigung sowie Selbstbestimmung gebärfähiger Frauen verhindere. Daher müsse auf Länderebene und mit Unterstützung der Bundesregierung zeitnah ein konkreter Maßnahmenkatalog zur Behebung von Versorgungslücken im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs entwickelt werden.
Unterstützung erhält die Initiative etwa vom Bundesfamilienministerium, dem die rückläufige Zahl von Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, Sorgen bereitet. Staatssekretärin Juliane Seifert betonte, dass Frauen einen einfachen Zugang zu Ärztinnen und Ärzten brauchten und keine Frau sich einen Schwangerschaftsabbruch leichtmache. Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D., forderte denn auch, Frauen, Ärzten und Beratungsstellen mehr Vertrauen entgegenzubringen und die bisher strafrechtsfokussierte Diskussion zu überwinden. So gehe es nicht nur um das Selbstbestimmungsrecht der Frau, sondern auch um das Entscheidungsrecht in einem Gewissenskonflikt.
Viele Kritiker sehen in der strafrechtlichen Regelung eine der Ursachen dafür, dass in vielen Regionen Deutschlands derzeit erhebliche Versorgungslücken bei der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen bestehen. Das Strafrecht erschwere einerseits die Professionalisierung der medizinischen Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich und setze Ärztinnen und Ärzte unter Druck. Andererseits verhindere es aber auch eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Die von den Unterstützern der Resolution angestrebte Neuregelung von § 218 StGB müsse sich daher an den gesundheitlichen Belangen und der Selbstbestimmung von schwangeren Personen in ihren vielfältigen Lebensrealitäten orientieren und internationale Menschenrechtsnormen respektieren.
Rückenwind bekommt die Initiative nicht zuletzt auf internationaler Ebene. So fordert etwa der Ausschuss für die UN-Frauenrechtskonvention Deutschland schon länger dazu auf, die Pflichtberatung und die Wartefrist vor einem Schwangerschaftsabbruch abzuschaffen und den Eingriff als Krankenkassenleistung anzuerkennen.