medstra-News 5/2022 vom 8.2.2022
Ende Januar hat eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten verschiedener Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Suizidhilfe vorgelegt und einen Antrag zur Stärkung der Suizidprävention vorgestellt. Der Entwurf, der federführend von den Abgeordneten Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), Stephan Pilsinger (CSU), Benjamin Strasser (FDP) und Kathrin Vogler (die Linke) verfasst wurde, sieht die Einführung eines neuen § 217 und § 217a StGB sowie Änderungen im Betäubungsmittelgesetz vor.
§ 217 Abs. 1 und Abs. 3 StGB sind wortlautidentisch mit den bisherigen Absätzen 1 und 2 der Norm, die im Februar 2020 vom BVerfG für verfassungswidrig und nichtig erklärt wurde. Damit ist zunächst die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung eines Anderen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bewehrt. Ein neu eingefügter Absatz 2 sieht allerdings vor, dass die Förderungshandlung unter bestimmten Bedingungen nicht als rechtswidrig anzusehen ist. Diese sind unter anderem, dass die suizidwillige Person volljährig und einsichtsfähig ist (Abs. 2 S. 1 Nr. 1), die Einsichtsfähigkeit und die freiwillige, ernsthafte und dauerhafte Natur des Sterbewunsches von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bestätigt wird, was in der Regel zwei Termine im Abstand von drei Monaten voraussetzt (Abs. 2 S. 1 Nr. 2), ein näher beschriebenes, ergebnisoffenes Beratungsgespräch stattgefunden hat (Abs. 2 S. 1 Nr. 3) und der Suizid frühestens zwei Wochen und spätestens zwei Monate nach der letzten psychiatrischen Untersuchung stattfindet (Abs. 2 S. 1 Nr. 4). Die zweite Untersuchung kann in bestimmten Fällen, die in Abs. 2 S. 2 näher ausgeführt werden, entfallen. Zudem müssen alle Punkte dokumentiert werden (Abs. 2 S. 3).
Diese Neufassung des § 217 StGB wird ergänzt durch ein in § 217a StGB normiertes Werbeverbot für Suizidassistenz. Demnach kann mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden,
„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Hilfe zur Selbsttötung oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt“ (Abs. 1)
Eine Ausnahme von der Strafbarkeit gilt grundsätzlich für Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen, wenn diese darauf hinweisen, dass sie Hilfe zur Selbsttötung gem. § 217 Abs. 2 leisten (Abs. 4). Zudem ist nicht nach Abs. 1 Nr. 1 strafbar, wer Ärzte oder Beratungsstellen darüber informiert, wo Suizidhilfe angeboten wird (Abs. 2). Nach Abs. 1 Nr. 2 schließlich wird nicht bestraft, wer entsprechende Informationen in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachzeitschriften oder gegenüber Ärzten oder anderen befugten Personen verbreitet werden.
Außerdem soll § 13 Abs. 1 BtMG um einen neuen Satz 3 ergänzt werden. Dieser stellt klar, dass eine „begründete Anwendung“ von Betäubungsmitteln der Anlage III bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 217 Abs. 2 StGB gegeben ist. Damit können entsprechende Betäubungsmittel auch zum Zweck der Selbsttötung verschrieben, verabreicht oder einem Patienten überlassen werden.
Zeitgleich mit der Vorstellung des Gesetzentwurfs haben die Abgeordneten einen Antrag vorgestellt, um Maßnahmen zur Suizidprävention in Deutschland zu stärken. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Außerdem soll beispielsweise ein bundesweiter Suizidpräventionsdienst aufgebaut werden, der Betroffene und Angehörige eine Beratung mit geschulten Ansprechpartnern ermöglichen soll, sowie ein bestehender Förderschwerpunkt zur Suizidprävention beim Bundesministerium für Gesundheit ausgebaut und dauerhaft weitergeführt werden.
Gesetzentwurf und Antrag können auf den Webseiten der beteiligten Abgeordneten abgerufen werden.