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Geteilte Lager im Bundestag zur Impfpflichtdebatte

medstra-News 26/2022 vom 25.3.2022

Am 17. März 2022 diskutierte der Deutsche Bundestag in erster Lesung über die fünf vorliegenden Anträge zur Einführung einer allgemeinen SARS-CoV-2-Impfpflicht. Die notwendige einfache Mehrheit – derzeit 369 Stimmen – für einen der Vorschläge zeichnet sich bislang jedoch nicht ab. Vielmehr wurde ein zersplittertes Meinungsspektrum ersichtlich. Nach einer zweiten und dritten Lesung ist Anfang April eine Abstimmung ohne Fraktionszwang vorgesehen. 

Ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf von Vertretern der Ampelkoalition wirbt für eine Impfpflicht ab 18 Jahren, die ab 1. Oktober 2022 greifen und bis Ende 2023 befristet sein soll. Eine andere Abgeordnetengruppe um den FDP-Abgeordneten Ullmann plädiert hingegen für eine Beratungspflicht und eine mögliche Impfpflicht ab 50 Jahren je nach Coronalage und Stand der Impfkampagne. Die CDU/CSU-Fraktion hingegen setzte sich für ein sog. Vorsorgegesetz ein. Darin ist ein gestufter Impfmechanismus enthalten, nachdem je nach Situation das Parlament gesondert über unterschiedliche Ausprägung einer Impfpflicht entscheiden könnte, jedoch nur für bestimmte besonders gefährdete Bevölkerungs- und Berufsgruppen. Zugleich wird für die Errichtung eines Impfregisters gestritten. Die AfD-Fraktion möchte hingegen mit einem Antrag die Einführung einer Impfpflicht vollkommen unterbinden. Gleiches gilt für den letzten, von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki unterstützten fraktionsübergreifenden Antrag.

Ähnlich kontrovers wie die eingereichten fünf Anträge verlief die Parlamentsdebatte. Nach Heike Baehrens (SPD), Mitinitiatorin der Vorlage aus der Mitte der Ampelkoalition, müssen jetzt Voraussetzungen geschaffen werden, damit man nicht erneut von einer Infektionswelle überrollt werde. Eine hohe Grundimmunisierung sei der Schlüssel, so die SPD-Gesundheitsexpertin.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (BÜNDNIS 90/Die Grünen) schloss an, dass die Freiheitsinterpretation von wenigen nicht zu einer permanenten Freiheitseinschränkung von vielen führen dürfe. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fügte in seiner Stellung als SPD-Abgeordneter hinzu, dass ohne Impfpflicht die Pandemie zeitnah nicht zu beenden sei. Es gehe darum, schwere Erkrankungen und den Tod zu verhindern. Neben Habeck und Lauterbach unterstützen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/Die Grünen) sowie dem Vernehmen nach mehr als 200 weitere Abgeordnete den Entwurf.

Der Würzburger Infektiologe und FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann warb für seinen Vorschlag einer Impfpflicht ab 50 Jahren, dass dieser Brücken baue und den Menschen zutraue, mit einer guten und professionellen Aufklärung eigenverantwortlich die richtige Entscheidung zu treffen. Eine Impfpflicht dürfe nur „ultima ratio“ sein. Nach Angaben von Ullmanns Büro haben sich dem Vorschlag bisher 45 Mitglieder des Bundestages angeschlossen, darunter SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/Die Grünen).

Die Unionsfraktion sieht hingegen ihren Vorschlag als Kompromiss. Es habe sich gezeigt, dass für eine grundlegende Impfpflicht keine Mehrheit im Bundestag zu finden sei. Eine pauschale Regelung sei aufgrund der dynamischen Pandemieentwicklung nicht angezeigt.
Manuel Höferlin (FDP) als Unterstützer des Vorschlages um Kubicki gab an, dass die Impfung zwar vor schweren Krankheitsverläufen schütze, aber nicht vor Ansteckung und einer Infektionswelle. Eine Impfpflicht sei demnach nicht verhältnismäßig. Statt auf Zwang solle auf Einsicht gesetzt werden. Der interfraktionelle Entwurf hat nach Angaben aus Kubickis Büro 50 Abgeordnete hinter sich versammeln können, darunter die Linken Abgeordneten Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht.

Der ablehnende Entwurf der AfD begründe sich laut Fraktionschefin Alice Weidel aus dem fehlenden Schutz der Impfung vor Ansteckung. Die Impfpflicht sei demnach verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.


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