medstra-News 42/2022 vom 5.5.2022
Bei dem im Jahr 2012 bekanntgewordenen Göttinger Organallokationsskandal manipulierten im Universitätsklinikum Göttingen Transplantationsmediziner Krankenakten, um bestimmten Patienten bevorzugt eine Spenderleber zu verschaffen und die Transplantationsrate der Einrichtung zu erhöhen. Einer der Transplantationsärzte wurde daraufhin im Jahr 2015 wegen versuchten Totschlags angeklagt, jedoch sowohl vor dem Landgericht Göttingen freigesprochen (Az. 6 Ks 4/13), was auch der BGH (Az. 5 StR 20/16) bestätigte. Er erhielt wegen seiner Zeit in Untersuchungshaft mehr als eine Million Euro Schadensersatz (LG Braunschweig Az. 7 O 3677/18).
Das Verwaltungsgericht Göttingen (Az. 10 LC 247/20) beschäftigte sich nun im Frühjahr 2022 mit einem Verfahren gegen einen weiteren Beteiligten. Die Universitätsmedizin Göttingen hatte eine Disziplinarklage gegen einen früheren Professor und Chefarzt eingereicht, da man den Mediziner als zentrale Figur und Führungsperson betrachtete. Der Beklagte soll in elf Fällen Mitarbeiter angewiesen haben, Manipulationen an Blutwerten vorzunehmen, um die Chancen auf die Zuteilung eines gespendeten Organs für die Patienten der Uniklinik zu erhöhen. Weiter habe er für die Behandlung eines Transplantationspatienten 30.000 € erhalten und dies verschwiegen. Nach Bekanntwerden des Skandals beurlaubte die Klinik den verbeamteten Arzt bereits im Juli 2012. Eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines endgültig eingetretenen Vertrauensverlusts nicht mehr zumutbar gewesen. Das Gericht folgte dieser Auffassung am 21. April 2022 und urteilte, dem sich inzwischen im Ruhestand befindlichen Beklagten sei das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Kammer teilte die Bewertung der Klägerin, wonach das vorsätzliche Erschleichen von unberechtigten Organzuweisungen die Grundlagen des ärztlichen Berufs erschüttere.
Der Chefarzt erklärte hingegen, dass er von den Manipulationen der Blutwerte nichts gewusst habe und der damals vor dem Landgericht Göttingen angeklagte Operateur allein für die Entscheidung zuständig gewesen sei. Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Beklagten in der Sache waren bereits im Zuge des Freispruchs des Operateurs eingestellt worden.