medstra-News 80/2022 vom 22.7.2022
Innerhalb eines Monats, nachdem der amerikanische Supreme-Court das grundsätzliche Recht auf Abtreibung verworfen hat (siehe medstra-News 71/2022 v. 30. Juni 2022), wird die praktische Reichweite des Urteils erstmals sichtbar. Um nach einer schwangerschaftsauslösenden Vergewaltigung eine Abtreibung vornehmen zu lassen, musste ein zehnjähriges Opfer aus dem US-Bundesstaat Ohio nach Indiana reisen. Aufgrund einer Rechtsverschärfung war in ihrem Heimatstaat das Recht auf Abtreibung nach der Entscheidung des obersten US-Gerichts umgehend aufgehoben worden. Ausnahmen des Verbots einer Abtreibung nach sechs Wochen sieht Ohio nur noch bei der Gefahr des Lebens der Mutter, jedoch nicht mehr in Fällen von Vergewaltigung oder Inzest vor.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich aufgrund des Falls bestürzt, als er Maßnahmen zum Schutz des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche vorstellte. Per Dekret beauftragte er das amerikanische Gesundheitsministerium, den Zugang zu Verhütungsmitteln und medikamentösen Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen sowie die Daten von Frauen, die sich über Abtreibungen informieren, besser zu schützen. Ebenso sollen mobile Kliniken gegründet werden, die Patientinnen bereits an den Grenzen zu Bundesstaaten mit Abtreibungsverboten behandeln können. Laut dem Erlass wird zudem innerhalb der Rechtsabteilung des Weißen Hauses eine unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung für Frauen eingerichtet, die wegen einer Abtreibung in juristische Schwierigkeiten geraten sind. Es wird jedoch erwartet, dass einige Bundesstaaten mit spezifischen Gesetzen das Dekret unterlaufen könnten.
Indes eröffnete der Generalstaatsanwalt von Ohio bereits ein Verfahren gegen einen 27-Jährigen, der das Opfer vergewaltigt haben sollte. Vorangegangen waren zahlreiche, auch von Amtsträgern und Medien aufgegriffene Fehlinformationen des rechten Spektrums, die anzweifelten, dass sich der Fall tatsächlich so zugetragen habe.