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Kritik an Suche nach ärztlichen Gutachtern und Gutachterinnen für Suizidbeihilfe

medstra-News 93/2022 vom 23.8.2022

Ein vom 2010 gegründeten „Verein Sterbehilfe“ im Deutschen Ärzteblatt geschaltetes Inserat, in dem der Verein nach Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland sucht, die bereit sind, sterbewillige Menschen zu beraten und deren Sterbeentschluss ggf. gutachterlich zu dokumentieren, hat teils heftige Reaktionen hervorgerufen. 

Wenngleich der Verein in der Anzeige betont hatte, dass „eine fundierte und konsequente Orientierung an der deutschen Rechtsordnung und am eigenen ärztlichen Ethos“ grundlegende Voraussetzung einer solchen Tätigkeit sei, zeigte sich etwa die deutsche Palliativstiftung entsetzt über dessen Vorgehen. So verdeutliche die Anzeige laut deren Vorstandsvorsitzendem Thomas Sitte, dass eine Beihilfe zum Suizid vielfach bereits als völlig normaler Vorgang angesehen werde. Neben dem Umstand, dass bereits jetzt 45 erfahrene Ärzte für den Verein zur Verfügung stünden, kritisierte er, dass die Tötungshilfe dadurch derart normalisiert werde, dass in Zukunft auch die Tötung auf Verlangen und letztendlich auch die Mitleidstötung zulässig würden, gegen die sich die Stiftung entschieden einsetze.

Kritisch zeigte sich auch der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt, der abermals vor einer zu zentralen Rolle von Ärztinnen und Ärzte bei der geplanten Neuregelung der Sterbehilfe warnte. Während er in besonderen Ausnahmefällen Verständnis für das Anliegen habe, lehne er die ärztliche Einbindung in die organisierte Suizidbeihilfe ab.

Jüngster Hintergrund der immer wieder geführten Debatten um den richtigen Umgang mit der Sterbehilfe ist eine Entscheidung des BVerfG von 2020, mit der die Richter das bis dato in Deutschland bestehende Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hatten. Das Gericht hatte zugleich ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben etabliert, das grundsätzlich unabhängig von Alter oder Krankheit bestehe. Dass dazu auch die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden könne, hatte der Tätigkeit sog. Sterbehilfevereine neuen Auftrieb verschafft. So kam es nach Angaben des „Vereins Sterbehilfe“ allein 2021 mit 129 assistierten Selbsttötungen zu einem neuen Höchststand. In den zwölf Jahren seines Bestehens hat der Verein damit insgesamt 470 Mitgliedern beim Suizid geholfen, darunter auch solchen Menschen, die nicht chronisch erkrankt waren.

Der Bundestag, dem drei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidbeihilfe vorliegen, ist nun berufen, ein Konzept zu entwickeln, dass einerseits dem Schutz des Lebens, andererseits aber auch dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben Rechnung trägt. Angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten ist mit weiteren Kontroversen zu rechnen. 


Verlag C.F. Müller

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