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Neue Stimmen zur Triage nach dem Zufallsprinzip

medstra-News 97/2022 vom 20.9.2022

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit einem im Dezember vergangenen Jahres ergangenen Urteil dem Gesetzgeber aufgetragen hatte, Schutzvorkehrungen für behinderte Menschen bei Triageentscheidungen zu verabschieden, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 2. Juni 2022 einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Regelung der Triage vorgelegt (zum Entwurf und Urteil siehe medstra-News 67/2022). Die Ausarbeitungen sind bereits bei Behindertenverbänden sowie Teilen der Opposition auf Kritik gestoßen. Intensivmediziner wünschten sich hingegen, bei der Umsetzung des Vorhabens mehr eingebunden zu werden und wiesen auf neue Benachteiligungen und Verwerfungen in der Medizin hin, zu denen die Umsetzung führen könnte (zu diesen ersten Kritiken siehe bereits medstra-News 84/2022; 89/2022).

Nunmehr schloss sich die für Behindertenpolitik zuständige Bundestagsabgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Corinna Rüffer, der Kritik an. Das vorgeschlagene Entscheidungskriterium „kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit“ sei kaum anhand von objektiven Kriterien zu bestimmen. Demnach bestehe weiterhin eine Gefahr der Diskriminierung von älteren oder behinderten Menschen bei knappen Behandlungskapazitäten. Medizin sei keine exakte Wissenschaft, sondern lasse vielmehr subjektive Entscheidungen zu, wodurch Risiken für Diskriminierungen entstehen würden. Um diese sicher auszuschließen, müsse die Triage nach dem Zufallsprinzip erfolgen, etwa durch ein Losverfahren oder die zufällige Reihenfolge der Ankunft in die Klinik müsse darüber entscheiden, wem die knappen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ähnliche Forderungen hatten auch bereits einzelne Verbände gestellt, die sich für Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen. Ein Zufallsprinzip sei dabei ethisch vertretbarer als eine Entscheidung nach vermeintlich klaren medizinischen Vorgaben.

Die Bundesärztekammer (BÄK) hält den Einsatz eines Zufallsprinzips ohne jegliche Berücksichtigung der Erfolgsaussichten hingegen für den falschen Ansatz. Uwe Janssens, ehemaliger Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), merkte im Deutschen Ärzteblatt an, dass gewichtige Argumente gegen den Einsatz des Zufallsprinzips sprächen. Das Prinzip „First-come-first-serve“ könne Menschen im Rollstuhl benachteiligen, da diese nur schwerer ins Krankenhaus transportiert werden könnten. Auch FDP-Gesundheitspolitiker und Arzt, Andrew Ullmann, sieht keine Notwendigkeit für ein Zufallsprinzip. Er traue der Ärzteschaft eine vorurteilsfreie Entscheidung zu.


Verlag C.F. Müller

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