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Vorschlag zur umfassenden Reform der Krankenhausversorgung vorgelegt

medstra-News 127/2022 vom 13.12.2022

Eine vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Regierungskommission hat am 6. Dezember 2022 Vorschläge für eine weitgehende Novellierung der deutschen Krankenhausversorgung vorgelegt. Es wurden drei strukturelle Grundneuerungen vorgestellt. Zunächst sollen die Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen unterteilt werden. Für jede Stufe wurden Mindestanforderungen bestimmt, die von dem jeweiligen Krankenhaus vorgehalten werden müssen, um die erforderliche Strukturqualität nachzuweisen und die entsprechende Zuteilung zu erlangen. Die vorgeschlagene Einteilung enthält Level-1 Krankenhäuser der Grundversorgung, Level-2 Krankenhäuser der Regel- und Schwerpunktversorgung sowie Level-3-Krankenhäuser, welche die Maximalversorgung übernehmen sollen. Die Krankenhäuser der Grundversorgung sollen zudem nochmal in sogenannte Level-1n-Häuser für die Notfallversorgung sowie Level-1i-Häuser für die sektorenübergreifende Versorgung unterteilt werden. Letztere Einrichtungen sollen akutpflegerische Leistungen mit Akutpflegebetten anbieten und von qualifizierten Pflegefachpersonen geleitet werden können. Die ärztliche Versorgung soll sodann mittels Telemedizin erfolgen können. Zudem soll für niedergelassene Ärzte und Ärztinnen die Möglichkeit bestehen, Betten mit ihren Patienten und Patientinnen zu belegen. Die Einteilung in die drei Versorgungsstufen sei laut der Regierungskommission notwendig, um eine qualitativ hochwertige stationäre und sektorenübergreifende Versorgung zu ermöglichen und der heterogenen Qualität der Krankenhäuser entgegenzutreten. Diese soll vor allem durch eine in Bezug auf die Ausbildungen der Ärztinnen und Ärzte erfolgende Kooperation zwischen Level 1- und Level 3-Krankenhäuser sichergestellt werden. Werden die Mindestvoraussetzungen für das jeweilige Strukturlevel nicht eingehalten, seien laut Lauterbach auch Sanktionen in Form von relevanten Abschlägen im Vorhaltebudget für Krankenhäuser angedacht.

Zweitens sind 128 Leistungsgruppen vorgesehen, die den Krankenhäusern zugeteilt werden sollen, um deren Leistungsangebot zu spezifizieren. Die grobe Zuteilung nach Fachabteilungen (wie z.B. „Innere Medizin“) soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (zum Beispiel „Kardiologie“), um Expertise zu bündeln damit zertifizierte Fachzentren entstehen. Fachspezifische Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn das Krankenhaus der entsprechenden Leistungsgruppe zugeteilt ist. Um in die Leistungsgruppe aufgenommen zu werden, muss das Krankenhaus spezifische Strukturvoraussetzungen, etwa bezüglich personeller oder apparativer Ausstattung, erfüllen. Einzelne Leistungsgruppen können sodann nur von Krankenhäusern der höheren Strukturlevel erreicht werden.

Als dritte Grunderneuerung sollen sich die Betriebskosten künftig aus zwei Säulen zusammensetzen. Zum einen aus einer Vorhaltepauschale, die je nach Leistungsgruppe variiert sowie zum anderen aus einer leistungsabhängigen Fallpauschale. Die Vorhaltepauschale soll bis zu 40 % der Betriebsmittel ausmachen, in einzelnen Leistungsgruppen sogar bis zu 60 % wie beispielsweise für die Intensivmedizin, die Notfallmedizin oder die Geburtshilfe. Die Regierungskommission plant, dass die Auszahlung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung erfolgt. Insgesamt soll die Gesamtsumme der geförderten Betriebsmittel jedoch gleichbleiben.

Der Koordinator der Regierungskommission Tom Bschor gab an, dass es Hintergrund des Reformkonzept sei, die Überökonomisierung des deutschen Gesundheitssystems zu beenden und medizinischen Entscheidungen wieder mehr Gewicht zu geben. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass deutsche Krankenhäuser kollabierten. Die Regierungskommission betont dennoch, dass die Reform sich nur auf die bundesweite Vergütung bezöge, wohingegen die Krankenhausplanung weiterhin zu 100 Prozent Sache der Bundesländer sei. Die Reformidee müsse damit von den Bundesländern unterstützt und umgesetzt werden. Die Regierungskommission schlug zudem vor, die Reform im Rahmen einer fünfjährigen Konvergenzphase umzusetzen. Gesundheitsminister Lauterbach betonte, dass die Vorschläge nunmehr Grundlage für nächste politische Reformschritte seien und bei der nun anstehenden Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs berücksichtigt würden.

Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP begrüßten die vorgelegten Vorschläge. Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen Janosch Dahmen erkannte „einen Startschuss für eine überfällige, umfassende Reform“, die sich sinnvoll stärker an eine die Daseinsvorsorge in den Mittelpunkt nehmende Finanzierung anlehne. Die SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt sieht eine „gute Grundlage“ gegeben, um die Versorgungsqualität vor Ort zu stärken und den ökonomischen Druck aus den Behandlungen zu nehmen. Laut FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann müsse jedoch darauf geachtet werden, dass bei weiteren Beratungen der Fokus nicht nur auf den Kliniken liege, sondern auch die niedergelassene Ärzteschaft in die Reform eingebunden wird. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erkannte Schnittmengen mit eigenen Vorschlägen. Sie sieht jedoch zugleich die Gefahr einer dauerhaften „strukturellen Unterfinanzierung“ der Krankenhäuser durch eine unzureichende Investitionsförderung. Die Kommission sei von einer „falschen Grundprämisse“ geleitet, da sie durch die Reform nur eine Umverteilung der finanziellen Mittel anstrebe, so der Vorstandvorsitzende der DKG Gerald Gaß. Hingegen müsste die Krankenhausfinanzierung um mindestens 15 Mrd. Euro bei den Betriebskosten und jährlich vier Mrd. Euro hinsichtlich der Investitionskosten aufgestockt werden Zudem könne die „kleinteiligen Planungsvorgaben und Regelungen“ in der Krankenhausplanung die benötigte Einigung zwischen Bund und Ländern erschweren. Die Krankenkassen hingegen nahmen das grundlegende Konzept sehr wohlwollend auf. Die Vorstandvorsitzende des AOK-Bundesverbands Carola Reimann sieht in der „Verknüpfung von qualitätsorientierter Planung mit der Neujustierung der Vorhaltefinanzierung […] einen sehr gute[n]und wegweisende[n] Ansatz.“ Entscheidend sei nunmehr die konkrete Umsetzung in Form konkreter Definitionen der Mindest-Qualitätsvoraussetzungen sowie die Ausgestaltung der Mindestgrößen von Versorgungsaufträgen. Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes, fordert die Bundesländer dazu auf, die praktische Umsetzung der Reformvorschläge zu unterstützen und ihre Investitionsverpflichtungen für die stationäre Versorgung zu erfüllen.

Die Länder, allen voran Bayern, sehen die Reformpläne hingegen kritisch. Der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gab an, dass die „Planungen unzumutbar in die Krankenhausplanungskompetenz der Länder ein[greife]“. Es werde „ein zentral gesteuertes, quasi-planwirtschaftliches und hochtheoretisches System vorgeschlagen“, welches rasch zu einer massiven Konzentration des stationären Versorgungsangebotes führen wird. Ebenfalls wurde die drohende Unterfinanzierung der Krankenhäuser durch eine reine Umverteilung der Finanzierung im System angemahnt. Die massiv gestiegenen Sachkosten der Kliniken müssen ausgeglichen werden.


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