medstra-News 68/2023 vom 23.6.2023
Eine Forschergruppe der University of Cambridge und dem California Institut of Technology rund um die führende britisch-polnische Entwicklungsbiologin Magdalena Zernicka-Goetz hatte Anfang Juni erstmals über Experimente berichtet, bei denen die Herstellung synthetischer menschlicher Embryonen gelungen sei. Zernicka-Goetz gab auf einer Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Stammzellforschung an, ,,durch die Reprogrammierung von embryonalen Stammzellen ein menschliches embryonenartiges Model erzeugt zu haben.“ Bisher sei eine solche Technik nur bei Stammzellen von Mäusen erfolgreich gewesen.
Laut Angaben des von der Konferenz berichtenden „The Guardian“ sei nicht klar, ob sich die erzeugten Zellhaufen überhaupt zu einem lebensfähigen Embryo entwickeln können und damit totipotent sind. Das sei jedoch auch nicht Ziel der Forschungsgruppe gewesen. Einsatz sollen die synthetischen Embryonen im Labor zur Erforschung früher zellulärer Entwicklungsprozesse finden und im besten Fall dazu beitragen, Fehlentwicklungen in der Embryogenese zu entschlüsseln und deren Verhinderung zu verbessern. In Großbritannien ist menschliches Klonen für Forschungszwecke erlaubt, solange die synthetisch erzeugten Embryonen spätestens nach 14 Tagen vernichtet werden. In vielen Ländern, wie auch Deutschland, ist die Erzeugung und Implantation menschlicher Embryonen aus Stammzellen hingegen verboten.
Erste Reaktionen der Wissenschaftsgemeinde sind geteilt. Laut James Briscoe Stammzellforscher am britischen Francis-Crick-Institut könne sich die Reproduktionsmedizin, soweit sich die Ergebnisse im Review bewahrheiten, verbessert werden, indem das bisher kaum zugängliche Stadium der menschlichen Frühentwicklung erforscht werde. In dieser Phase der menschlichen Entwicklungen scheitern die meisten Schwangerschaften. Gleichzeitig dürften jedoch die einhergehenden ethischen und rechtlichen Fragestellungen der Methode nicht vernachlässigt werden. Anders als für die In-vitro-Fertilisation gebe es kaum klare Rechtsrahmen für eine solle Methode und die gewonnen synthetischen menschlichen Embryonen. Laut Briscoe seien diese unbedingt nötig.
Rachel Ankeny von der School of Humanities der University of Adelaide betont, dass die Forschung die verschiedenen Öffentlichkeiten über ihr Verständnis und ihre Erwartungen an diese Art von Forschung und ganz allgemein über ihre Ansicht zur frühen menschlichen Entwicklung zu befragen habe. Es sei elementar herauszufinden, ob die Modelle sich tatsächlich „grundlegend“ von menschlichen Embryonen unterscheiden. „Obwohl sie aus anderen Quellen und Prozessen stammen, haben sie ähnliche Eigenschaften wie menschliche Embryonen, was die Frage, wie wir sie betrachten und behandeln, sehr viel komplexer macht“, so Ankeny. Es müsse sichergestellt werden, dass „Regulierungsverfahren die notwendigen Fragen behandeln und [..] die Öffentlichkeit die Gewissheit hat, dass es angemessene Kontrollmechanismen und Schutzmaßnahmen gibt“.