medstra-News 74/2024 vom 12.11.2024
Das Frankfurter Landgericht hat einen Anästhesisten wegen Totschlags eines Mädchens und versuchten Totschlags an drei weiteren Kindern zu einer Haftstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt. Am 18. September 2021 hatte der Deutsche in einer Zahnarztpraxis zunächst einer Frau und im weiteren Tagesverlauf vier Kindern aus derselben Flasche das Narkosemittel Propofol gespritzt. Als das Narkosemittel dem ersten Kind verabreicht wurde, war dieses bereits verunreinigt. Drei der Kinder schickte der Anästhesist trotz ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes nach Hause. Ein vierjähriges Mädchen, welches zuletzt an diesem Tag behandelt wurde, erlangte nach dem ärztlichen Eingriff das Bewusstsein nicht wieder, hatte einen erhöhten Herzschlag sowie eine ansteigende Körpertemperatur. In der Nacht spritzte der Anästhesist erneut ein Narkosemittel, jedoch erlag die Vierjährige schließlich einem Multiorganversagen und konnte nicht reanimiert werden. Bei den drei anderen behandelten Kindern zeigte sich am Folgetag keine gesundheitliche Besserung. Auf Nachfragen der Eltern, ob man die Kinder in eine Klinik bringen sollte, wiegelte der heute 67-Jährige die Fragen ab und meinte, die Kinder „müssten sich lediglich ausruhen“, erklärte die Richterin in der Urteilsbegründung, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet. Die Eltern brachten die Kinder schließlich eigenständig ins Krankenhaus. Zwei der Kinder mussten künstlich beatmet werden und überlebten die Blutvergiftung nur knapp. Folgeschäden hätten die Kinder nicht erlitten, erklärte die Richterin. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft sei weiterhin der Auffassung, dass es sich bei dem Geschehen um Mord und dreifach versuchten Mord handle, äußerte der Sprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Dominik Mies, dem Deutschen Ärzteblatt gegenüber. Durch das Unterlassen habe der Anästhesist „Hygienemängel vertuschen wollen“, so Mies. Ob Revision gegen das Urteil eingelegt werde, müsse noch geprüft werden.
Seit 2019 ist der Anästhesist bereits vorbestraft. Während des laufenden Prozesses meldeten sich zudem weitere ehemalige Patienten. Anlässlich des Geschehens mahnten der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) am 1. November 2024 erneut die notwendige Einhaltung gültiger Vereinbarungen zur Qualitätssicherung an.