medstra-News 2/2025 vom 3.1.2025
Der GKV-Spitzenverband kritisiert eine Benachteiligung gesetzlich Krankenversicherter gegenüber Privatversicherten bei der ärztlichen Terminvergabe. Die stellvertretende GKV-Chefin, Stefanie Stoff-Ahnis, sagte hierzu gegenüber dem RND: „Wer echte Gleichbehandlung will, sollte dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist.“ Wer in Buchungsportalen auf der Suche nach einem Facharzttermin angebe, gesetzlich krankenversichert zu sein, bekomme frühestens einen Terminvorschlag in fünf Wochen – gebe man hingegen eine Privatversicherung an, seien oft schon Termine am Folgetag möglich. Dabei seien 90 % der Menschen in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Nach Stoff-Ahnis sollte es in Zukunft bei der Terminvergabe allein um die medizinische Notwendigkeit gehen und nicht um die Form der Krankenversicherung. Sie schlägt deshalb vor, alle Arztpraxen gesetzlich zu verpflichten, freie Terminkapazitäten tagesaktuell einem Onlineportal zu übermitteln, auf das die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung zugreifen könnten.
Dem tritt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, entgegen. Für ihn sei es unredlich und albern erneut eine Neiddebatte zwischen der GKV und PKV beginnen zu wollen. Auch Gassen greift die hohe GKV-Quote von 90 % auf, zieht dabei aber einen anderen Schluss: Die Zahl der Privatversicherten sei so gering, dass diese die Termine für die GKV-Versicherten gar nicht in relevantem Ausmaß blockieren könnten. Er spricht sich daher vielmehr für eine zielgerichtete Patientensteuerung insbesondere im Akutfall aus. Eine mögliche Lösung sieht er schon heute in der Rufnummer 116117 und entsprechenden Ersteinschätzungsverfahren.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, schilderte gegenüber dem Deutschlandfunk zunehmende Schwierigkeiten bei der ärztlichen Terminsuche – sowohl für gesetzlich als auch privat Versicherte. Als Ursache identifiziert er die unzureichende Koordination der Terminvergaben. Reinhardt plädiert daher für ein verbindliches Hausarztsystem, bei dem Hausärzte über die weitere Behandlung entscheiden und auf diese Weise die Terminlage entzerren sollen. Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hält das Vergabesystem für undurchsichtig und die Unterstützung durch die Krankenkassen für unzureichend. Brysch fordert daher eine Überprüfung der ärztlichen Präsenzzeiten und Vergabepraxis.
Diese Debatte bewegt auch die Politik: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stimmt der Kritik des GKV-Spitzenverbands zu. Auf der Plattform X sagt Lauterbach hierzu, es sei schlicht ungerecht, wenn Geld entscheide, wer zuerst behandelt werde. Eine Zweiklassenmedizin sei nicht weiter tragbar. Die SPD wirbt in ihrem aktuellen Wahlprogramm daher für den Abbau der Unterschiede bei Wartezeiten zwischen privat und gesetzlich Versicherten. Zwar sympathisiert auch der Vorsitzende des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, mit dem Vorschlag des GKV-Spitzenverbands. Gesetzlich Versicherte dürften nicht wie Patienten zweiter Klassen behandelt werden, andernfalls drohe das Vertrauen in und die Akzeptanz für das System zu schwinden. Lauterbach wirft der Union und FDP aber eine Blockadehaltung vor, die einer Gleichbehandlung derzeit im Weg stehe.