medstra-News 17/2025 vom 14.2.2025
Nachdem der Bundestag sich mit einem fraktionsübergreifenden Entwurf zur Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende befasst hat (hierzu medstra-News 9/2025 vom 17.1.2025), wird es vor den Neuwahlen nicht mehr zu einer Abstimmung über den Reformvorschlag kommen. Einige Abgeordnete erklärten jedoch gemeinsam, dass gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode eine neue parlamentarische Debatte stattfinden soll. Hierfür wollen sie den Gesetzentwurf, der nun der Diskontinuität anheimfällt, mit einigen Überarbeitungen neu in den Bundestag einbringen. Die Änderungen beträfen die Phase der Nichteinwilligungsfähigkeit vor Eintritt des Hirntods sowie die Abläufe bei möglichen Spendern ohne Angehörige, wie die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar (SPD) mitteilte.
Die Widerspruchslösung solle einen Beitrag dazu leisten, die Organspendezahlen zu erhöhen und Menschenleben zu retten, so Gitta Connemann (CDU). Mitinitiatoren Armin Grau (Grüne) und Petra Sitte (Linke) erhoffen sich ferner, mit der Widerspruchslösung Konfliktsituationen für Angehörige zu minimieren, die derzeit oft mit der Entscheidung überfordert seien. Allerdings zeigte eine Expertenanhörung im Bundestag am 29.01.2025 auch, dass die Meinungen von Sachverständigen über die empirische, ethische und juristische Bewertung der Widerspruchslösung auseinandergehen.
Deutschland nimmt bei der Organspende im internationalen Vergleich weiterhin einen der hinteren Plätze ein. 2024 gab es im Bundesdurchschnitt 11,4 Spender pro Million Einwohner, wie Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zeigen. Dies führt laut Axel Rahmel, dem Medizinischen Vorstand der DSO, beispielsweise dazu, dass nur jeder achte Patient, der an einer terminalen Niereninsuffizienz leidet, überhaupt auf die Warteliste für ein neues Organ kommt. Die Wartezeit betrage dann „noch einmal sechs Jahre, mitunter sogar zehn“, sagte er laut dem Deutschen Ärzteblatt auf der Jahrestagung der DSO-Region Mitte.
Dabei variieren die Spendezahlen zwischen verschiedenen Regionen erheblich. In den Regionen Nord, Nord-Ost, Mitte sowie Baden-Württemberg und Bayern bewegen sie sich um den Bundesdurchschnitt. Dagegen gibt es in der Region Ost (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) 15,6 Spenderinnen und Spender pro Million Einwohner, in Hamburg sogar 27,2. Nach Aussage von Paula Barreiros, geschäftsführende Ärztin der DSO-Region Mitte, wirkt in der Region Ost die höhere Spendebereitschaft in der ehemaligen DDR noch nach. Dagegen habe eine Analyse aller organspendebezogenen Kontakte für die Region Mitte gezeigt, dass Angehörige oftmals unsicher seien, wenn sie für Verstorbene eine Entscheidung treffen müssten. In einem Großteil der Fälle hätten sie angegeben, dass nie über das Thema Organspende gesprochen worden sei.
Zugleich ist die Zustimmung zur Organ- und Gewebespende in der deutschen Bevölkerung so hoch wie noch nie. Dies ergab eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA; seit 13.02.2025: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit). 85 % der Befragten stünden der Organspende positiv gegenüber und 62 % hätten bereits eine Entscheidung zur Organspende getroffen. Allerdings hätten nur 45 % der Befragten ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung dokumentiert.