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Ausgabe 4/2020

Beiträge

Prof. Dr. Gunnar Duttge, Georg-August-Universität Göttingen
medstra-statement: Not kennt kein Gebot?

Dr. Kurt W. Schmidt, Frankfurt am Main/Prof. i.R. Dr. Gabriele Wolfslast, Universität Gießen/Riedlingen/Prof. Dr. Bernhard Kretschmer, Universität Gießen/Prof. Dr. Klaus Lewandowski, Berlin/Prof. Dr. Torsten Verrel, Universität Bonn
Patientenverfügungen bei Triage-Entscheidungen

Prof. Dr. Josef Franz Lindner, Universität Augsburg
Kann eine Empfehlung des Deutschen Ethikrates einen unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 Satz 1 StGB begründen?

Prof. Dr. Frank Zieschang, Universität Würzburg
Die telefonische Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und § 278 StGB

RA Prof. Dr. Michael Tsambikakis, Köln/Universität Passau/RA Markus Gierok, Köln
Der Ref-E zur Einführung eines Verbandssanktionengesetzes

Wiss. Mit. Jessica Krüger, LL.B., Bucerius Law School, Hamburg
§ 323c Abs. 1 StGB in der Pandemie – vom gefährlichen Potential der gemeinen Gefahr und Not in Krisenzeiten

 

Literaturübersicht

Wiss. Mit. Jessica Krüger, LL.B., Bucerius Law School, Hamburg
Beitragsübersicht Medizinstrafrecht – Fest- und Gedächtnisschriften 2019

 

Entscheidungen

  • BVerfG 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 u.a. Verfassungswidrigkeit des Verbotes der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung
  • BGH 15.1.2020 – XII ZB 381/19 Zwangsbehandlung von Schizophrenie durch Elektrokrampftherapie (Anm. Henking)
  • LG Darmstadt 30.1.2020– 15 O 25/19 Keine Irreführung trotz fehlender Wirkstoffnachweisbarkeit in homöopathischem Arzneimittel (Anm. Weiler)

 

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medstra-Statement

Prof. Dr. Gunnar Duttge
Not kennt kein Gebot?

In einem kürzlich erschienenen Kurzessay gab der französische Schriftsteller Michel Houellebecq, sonst eher mancherlei Provokation zugeneigt, ganz konservativ und geradezu wehmütig ob des zivilisatorischen Verlustes einen pessimistischen Ausblick zur „Zukunft nach Corona“ (FAS v. 10.5.2020, S. 41): „(…) zumindest hat man nie mit einer solchen Schamlosigkeit zum Ausdruck gebracht, (…) dass es ab einem gewissen Alter (70, 75, 80 Jahre) ein bisschen so ist, als sei man schon tot“. Diese Vorstellung offenbart sich freilich nicht allein im alltäglichen Straßen- und TV-Geplapper, sondern neuerdings auch in manchen medizinstrafrechtlichen Ad-hoc-Stellungnahmen. Gewiss mögen „Schnellschüsse“ anderer Art in Notzeiten mitunter unvermeidlich sein, um größeren Schaden abzuwenden; juristische und ethische Stellungnahmen sollten hingegen auch bei akutem Orientierungsbedarf niemals auf eine wissenschaftlich fundierte Analyse und Reflektion verzichten. Das verdammt die Wissenschaften nicht etwa zur Bedeutungslosigkeit, sondern sichert umgekehrt überhaupt erst ihren Status als wohlbegründetes „Wissen“ jenseits der flatternden Fähnchen im wechselhaften Wind des Zeitgeistes.

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Beiträge

Dr. Kurt W. Schmidt / Prof. i.R. Dr. Gabriele Wolfslast / Prof. Dr. Bernhard Kretschmer / Prof. Dr. Klaus Lewandowski / Prof. Dr. Torsten Verrel
Patientenverfügungen bei Triage-Entscheidungen
Ob im Fall knapper Ressourcen auf einer Intensivtherapiestation triagiert werden darf, und wenn ja, nach welchen Kriterien, ist rechtlich umstritten. Da die derzeitige Diskussion den Aspekt des Selbstbestimmungsrechts nicht ausreichend berücksichtigt, wird das Muster einer ergänzenden Patientenverfügung vorgestellt, in der die Triage-Situation im Rahmen der COVID-19-Pandemie konkret einbezogen ist und verschiedene Entscheidungsoptionen eröffnet werden.

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Prof. Dr. Josef Franz Lindner
Kann eine Empfehlung des Deutschen Ethikrates einen unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 Satz 1 StGB begründen?
In einer ad hoc-Empfehlung vom 27.3.2020 zur Corona-Pandemie vertritt der Deutsche Ethikrat die Auffassung, Ärzte könnten bei einer ex post-Triage „mit einer entschuldigenden Nachsicht der Rechtsordnung rechnen“. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob Ärzte, die auf diese irreführende Formulierung vertrauen, sich im Falle einer Strafverfolgung wegen Totschlags auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB berufen und dadurch der Strafbarkeit entgehen können.

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Prof. Dr. Frank Zieschang
Die telefonische Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und § 278 StGB
Im Zuge der Corona-Krise hat der Gemeinsame Bundesausschuss beschlossen, dass für einen befristeten Zeitraum „die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Versicherten mit Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen, für einen Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen auch nach telefonischer Anamnese und zwar im Wege der persönlichen ärztlichen Überzeugung vom Zustand des Versicherten durch eingehende telefonische Befragung erfolgen“ darf. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, ob die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit lediglich aufgrund telefonischer Befragung ohne unmittelbare persönliche Untersuchung möglicherweise in Konflikt mit § 278 StGB geraten kann, der das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse unter Strafe stellt.

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Prof. Dr. Michael Tsambikakis / Markus Gierok
Der Ref-E zur Einführung eines Verbandssanktionengesetzes
Nachdem bereits im August 2019 eine nicht autorisierte Version 1 aufgetaucht war, stellte das BMJV am 22.4.2020 den Referentenentwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vor. Hinter dieser euphemistischen Bezeichnung versteckt sich eine eigene Form von „Strafrecht“ für Unternehmen. Auch wenn die Verfasser des Entwurfs und seiner Begründung peinlich bemüht sind, den Begriff „Strafe“ durchweg zu umgehen: Mit dem „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“ soll die Sanktionierung von Verbänden auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage gestellt werden. Betroffen und angesprochen sind damit auch Unternehmen bzw. Verbände des Gesundheitswesens.

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Jessica Krüger
§ 323c Abs. 1 StGB in der Pandemie – vom gefährlichen Potential der gemeinen Gefahr und Not in Krisenzeiten
Der Beitrag untersucht, wann § 323c Abs. 1 StGB in Krisensituationen wie einer Pandemie zum Tragen kommen kann. Im Fokus stehen dabei die Situationsvarianten der gemeinen Gefahr oder Not, die in der Rechtswissenschaft bislang nur stiefmütterlich behandelt werden. Der Beitrag zeigt auf, welch gefährlich breites strafrechtliches Potential diese beiden Situationsvarianten in Krisensituationen entfalten können und welche Restriktionsansätze zur Begrenzung einer überbordenden Strafbarkeit in Betracht kommen.

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