medstra-News 87/2024 vom 3.12.2024
Das BVerfG hat das ausnahmslose Verbot von ärztlichen Zwangsmaßnahmen außerhalb von Krankenhäusern am 26.11.2024 für verfassungswidrig erklärt. Die § 1906a Abs. 1 S. 1 Nr. 7 BGB (a.F.) und die wortlautidentische ab 1. Januar 2023 geltende Vorschrift des § 1832 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 BGB (n.F.) seien mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar. Das BVerfG verpflichtet den Gesetzgeber daher, bis Ende 2026 eine Neuregelung zu erlassen. Bis dahin gilt das bisherige Recht fort.
Im Ausgangspunkt sind ärztliche Maßnahmen gegen den erkennbaren Patientenwillen nur als letztes Mittel und unter strengen Voraussetzungen zulässig. Die aktuelle Gesetzeslage gestattet ärztliche Zwangsmaßnahmen u.a. nur „im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist“. Nach Ansicht des BVerfG ist dieser ausnahmslose Krankenhausvorbehalt in solchen Fällen verfassungswidrig, in denen dem Betroffenen durch die daraus resultierende Verzögerung oder das Ausbleiben der Behandlung erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit drohen. Ist der Betroffene in einer Einrichtung untergebracht, die den medizinischen Standard eines Krankenhauses nahezu erreicht, müssten derartige Beeinträchtigungen vermieden oder zumindest signifikant reduziert werden.
Damit folgt das BVerfG der Auffassung des BGH. Dieser hatte die Fragestellung dem BVerfG vorgelegt, weil er die geltende Rechtslage mit der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG für unvereinbar hielt.