medstra-News 111/2022 vom 25.10.2022
Die wegen Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen und versuchten Totschlags durch Unterlassen angeklagten sieben Vorgesetzten des ehemaligen Krankenpflegers Niels Högel sind am 13. Oktober 2022 vor dem Landgericht Oldenburg freigesprochen worden. Högel war bereits 2015 für eine Mordserie verurteilt worden (Az. 5Ks 1/18), die er von 2000 bis Mitte 2005 an Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst begangen hatte (siehe ausführlich medstra-News 33/2019). Insgesamt 85 Intensivpatienten und -patientinnen soll Högel mit Medikamenten nachweislich tödlich vergiftet haben, um diese später reanimieren zu können. Die Dunkelziffer der Todesfälle wird jedoch weitaus höher eingeschätzt. Die Vorgesetzten Högels – vier Ärzte, eine Pflegedienstleisterin und eine stellvertretende Stationsleiterin sowie ein Ex-Geschäftsführer der beiden niedersächsischen Kliniken – waren hingegen nur in acht Fällen angeklagt worden (siehe zum Prozessablauf schon medstra-News 67/2021, 12/2022).
Das Landgericht urteilte nun, dass den Angeklagten eine Mitverantwortung nicht nachzuweisen sei und folgte damit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der Vorsatz der sieben Männer und Frauen war nach Erkenntnissen des Gerichts nicht mit der nötigen Gewissheit feststellbar, teils aufgrund der rekonstruierbaren Umstände des Geschehens auch als unwahrscheinlich anzusehen. Nachgewiesen werde konnte lediglich ein Unbehagen hinsichtlich der Arbeit Högels, jedoch kein ausreichendes Wissen bzgl. der einzelnen Tatvorgänge. In Betracht kommende mögliche Fahrlässigkeitstaten sind bereits verjährt.