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Modifiziertes Eckpunktepapier zur Cannabislegalisierung veröffentlicht

medstra-News 39/2023 vom 18.4.2023

Nachdem bereits im November 2022 ein erstes Eckpunktepapier zur Legalisierung von Cannabis durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) veröffentlicht wurde (siehe medstra-News 115/2022), dessen Vereinbarkeit mit internationalem Recht in Rede stand (siehe medstra-News 125/2022 sowie 98/2022), stellten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özedemir (Bündnis 90/Die Grünen) am 12. April 2023 ein modifiziertes Eckpunktepapier vor. Lauterbach gab an, dass nach Gesprächen mit der EU der ehemalige Eckpunkteentwurf nicht mehr realisierbar gewesen wäre. In Abweichung zum vorangegangenen Positionspapier schlagen die beiden Minister nunmehr eine restriktivere Cannabislegalisierung in zwei Schritten vor.

Zunächst soll der private Eigenanbau sowie der Anbau in nicht gewinnorientierten Vereinen/Vereinigungen bundesweit in einem Gesetzentwurf bis Ende April ausgearbeitet werden. Unter klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen sollen sogenannte „Cannabisclubs“ gemeinschaftlich Cannabis anbauen und an die Mitglieder zum Eigenbedarf abgegeben dürfen. Insgesamt sollen monatlich maximal 50 Gramm pro Mitglied zu maximal 25 Gramm pro Abgabe bezogen werden. Im Alter zwischen 18 und 21 Jahren soll die Abgabe auf maximal 30 Gramm pro Monat begrenzt werden. Der Verein soll ferner Samen und Stecklinge für den Eigenbau an seine Mitglieder abgeben dürfen. Es wird vorgeschlagen, die Mitgliederzahl der Vereine auf maximal 500 Personen zu begrenzen und die Zahl der Vereinigungen anhand der Bevölkerungsdichte auszurichten. Anders als in den sog. Social Clubs in den Niederlanden, soll der Konsum in den „Cannabisclubs“ selbst jedoch nicht stattfinden. Obwohl Lauterbach und Özdemir betonen, dass das künftige Gesetz nicht zustimmungspflichtig sei, beinhaltet das Positionspapier die Pflicht der Bundesländer, Vorkehrungen und Vorgaben festzulegen, wie die Räumlichkeiten der Vereinigungen gesichert werden müssen sowie die einzuhaltenden Mengen-, Qualitäts- und Jugendschutzvorgaben auszudifferenzieren und stichpunktartig zu überprüfen. Anhand der Verbesserung des Gesundheits- und Jugendschutzes sowie der Zurückdrängung des Schwarzmarktes soll nach vier Jahren eine Evaluation des ersten Legalisierungsschrittes erfolgen.

Nach der Sommerpause soll in einem zweiten Schritt näher vorgeschlagen werden, wie in Modellregionen auch der kommerzielle Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften eingeführt werden könnte. Es sollen erste Möglichkeiten des Aufbaus kommerzieller Lieferketten ausgelotet werden, in denen der Anbau sicherer gestaltet werden könne, so die beiden Minister. Zudem soll es in den bisher nicht näher benannten Modellregionen eine Cannabissteuer geben. Die Modellregionen sollen wissenschaftlich begleitet und nach fünf Jahren ergebnisoffen evaluiert werden. Die gewonnenen Ergebnisse sollen dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission zur Verfügung gestellt werden. 

Zuletzt sollen Minderjährige, soweit sie sich im Besitz von Cannabis befinden, zu Frühinterventions- und Präventionsprogrammen verpflichtet werden. Zudem sollen Verurteilungen, die nach dem BtMG in Zusammenhang mit Cannabis im Strafregister eingetragen sind und für die das neue Gesetz keine Strafe mehr vorsieht, zukünftig per Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden können. Zudem beinhaltet das Positionspapier mit Inkrafttreten des Gesetzes die Einstellung der laufenden Ermittlungs- und Strafverfahren. 

Das Eckpunktepapier stößt auf unterschiedliche Kritik. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, sieht in ihm eine „Legalisierung light“, die zur Zunahme von Abhängigkeitserkrankungen und anderen psychischen Krankheiten führen könne. Das Risikobewusstsein hinsichtlich regelmäßigen Cannabiskonsums werde minimiert. Vor allem Bezeichnungen wie „Cannabisclubs“ verharmlose die Folgen einer wohlmöglich auftretenden Abhängigkeit. Die Politik solle stattdessen auf mehr Präventionsangebote und Interventionsprogramme setzen, um junge Menschen zu schützen. Ferner sei das psychiatrische Versorgungssystem nicht gewappnet für einen Anstieg psychischer Erkrankungen. 

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht in der Legalisierung einen „Irrweg“. Laut dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) werden „Gesundheitsrisiken verharmlost“ und „mit juristischen Winkelzügen Schlupflöcher für [ein] ideologisches Legalisierungsprojekt“ gefunden. Der Vorschlag sei hinsichtlich des Kinder- und Jugendschutzes ein falsches Signal. Es werde nicht verhindert, dass sich die Weitergabe von Cannabis durch Erwachsene an Jugendliche vereinfache, so Holetschek. Zudem wurde angekündigt, dass der Freistaat gegen die Cannbislegalisierung rechtlich vorgehen werde.

Kristine Lütke, Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der FDP-Fraktion, hingegen begrüßte das Vorhaben der Ampelkoalition. Endlich sei eine Grundlage geschaffen worden, um den „straffreien und eigenverantwortlichen Zugang zu Cannabisprodukten für Erwachsene“ zu gewährleisten. Allerdings erkennt sie die Eckpunkte als zu restriktiv. Lütke fordert, neben der straffreien Deckung des Eigenbedarfs auch einen Weg hin zu einer Abgabe in lizenzierten Geschäften aufzuzeigen. Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang sieht in dem Vorschlag einen „wichtigen Schritt hin zu einer zeitgemäßen Drogenpolitik“. Der Schwarzmarkt werde „ausgetrocknet“ sowie der Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenbekämpfung gesetzt. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Maria Klein-Schmeink, fügte hinzu, dass eine umfassende Legalisierung und Regulierung das Endziel bleibe und hoffentlich nach Abschluss der Modellvorhaben und der Genehmigung durch die EU erzielt werden könne.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) geht dagegen nicht davon aus, dass die Pläne den illegalen Cannabishandel auf dem Schwarzmarkt zurückdrängen werden. Vor allem der riskante Cannabiskonsum von Minderjährigen werde nicht ausreichend verhindert. Zudem erwarte man, dass sich keine nennenswerte Arbeitsentlastung für die Polizei ergebe, so der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz.

Von Seiten der Fraktion der Linken kritisierte Ates Gürpinar, dass von dem ursprünglichen Koalitionsversprechen einer bundesweiten Abgabe über lizenzierte Fachgeschäfte „nicht viel übrig“ geblieben sei und die Kontrolle weitestgehend den Ländern überlassen werde.


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