medstra-News 119/2023 vom 14.11.2023
Am Montag, den 6. November 2023, fand die Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags zum Cannabisgesetz der Bundesregierung statt (s. zum Gesetzentwurf bereits medstra-News 88/2023, 39/2023 und 115/2022). Verschiedene Verbände und Experten konnten sowohl im Vorfeld als auch während der Anhörung zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen.
Die Bundesärztekammer, der Verband der Kinder- und Jugendärzte sowie die Bundespsychotherapeutenkammer äußerten sich kritisch. Die Maßnahmen zum Schutz von Kinder- und Jugendlichen, die im Gesetz vorgesehen sind, seien nicht ausreichend. Gerade bei dieser Gruppe seien die potenziellen gesundheitlichen Folgen des Cannabiskonsums besonders gravierend. BÄK-Präsident Klaus Reinhardt betonte, er sei „relativ erschüttert über das, was hier auf dem Tisch liegt“.
Anders sieht dies der Suchtforscher Dr. Jakob Manthey vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg. Er hatte im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ein Gutachten erstellt, das sich mit den möglichen Folgen der Cannabislegalisierung befasst. In der Anhörung erklärte er, dass eine Legalisierung in anderen Ländern wie beispielsweise Kanada nicht zu einem signifikanten Anstieg des Cannabiskonsums unter Jugendlichen geführt habe, sondern andere Faktoren, insbesondere das soziale Umfeld und die individuelle persönliche Situation, einen entscheidenden Einfluss auf den Konsum hätten. In der Wissenschaft herrsche Konsens, dass die bisherige Prohibitionspolitik schädliche Folgen habe.
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft gab zu bedenken, dass der Entwurf für Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen konsumierten, eine Verschlechterung darstelle, weil die im Gesetz vorgesehenen Abstandsregelungen auch für sie gelten. Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik sowie andere Experten forderten in der Anhörung zudem, den Erlaubnisvorbehalt der Krankenkassen für Verschreibungen von Medizinalcannabis abzuschaffen.
Der Deutsche Richterbund sieht den Gesetzentwurf kritisch. Er befürchtet, dass die Justiz gerade nicht entlastet werde, sondern durch die Schaffung von neuen Straftatbeständen der Ermittlungsaufwand ansteige. Zudem müsse mit einer Stärkung des Schwarzmarkts, einem Missbrauch von Anbauvereinigungen und einem erhöhten Konsum von Jugendlichen gerechnet werden. Die Neue Richtervereinigung (NV) hingegen begrüßte grundsätzlich die Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum, forderte aber Nachbesserungen am Gesetz. Insbesondere müssten die Grenzwerte für die Bestimmung einer „nicht geringen Menge“ Cannabis festgelegt werden, um drohende Regelungswidersprüche zu vermeiden.