medstra-News 69/2023 vom 30.6.2023
An der kurzfristig für den 6. Juli 2023 anberaumten Schlussabstimmung des Bundestags über eine Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland ist in der Ärzteschaft und den ärztlichen Fachgesellschaften deutliche Kritik lautgeworden. Nach übereinstimmender Ansicht der Bundesärztekammer (BÄK) und diverser Fachgesellschaften sowie des Nationalen Suizidpräventionsprogramms dürfe eine derart weitreichende Entscheidung nicht kurz vor der parlamentarischen Sommerpause überstürzt getroffen werden. Vielmehr bedürfe die Debatte der Ernsthaftigkeit und des nötigen Tiefgangs.
Nachdem die Parlamentariergruppen um Renate Künast (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP) ihre Gesetzentwürfe vor gut zwei Wochen zusammengeführt hatten (siehe dazu medstra-News 59/2023 und 63/2023), liegen dem Bundestag nur noch zwei Gesetzentwürfe zur Abstimmung vor. Während sich die Gruppe um Künast und Helling-Plahr für eine liberale Neuregelung ausspricht, verfolgt der Gegenentwurf der Gruppe um Lars Castellucci (SPD) eine restriktivere Linie, die auch strafrechtliche Vorgaben umfassen soll.
Nach Ansicht von Ärztevertretern wären dagegen vor der Abstimmung sowohl eine ausführliche Befassung des Parlaments als auch eine gesellschaftliche Debatte über den Zugang zum assistierten Suizid notwendig. Im Mittelpunkt müssten dabei laut Susanne Johna, der Vizepräsidentin der BÄK, die Schaffung von Hilfsangeboten für suizidgefährdete Menschen und ein nationales Suizidpräventionsprogramm stehen. Demgegenüber dürfe eine Neuregelung nicht der gesellschaftlichen Normalisierung des Suizides Vorschub leisten und Ärztinnen und Ärzte erheblichen strafrechtlichen Risiken aussetzen.